Hila Blum stellt in Schweden »Wie man seine Tochter liebt« vor –

Ein Schwerpunktthema auf der Buchmesse in Göteborg war dieses Jahr Jüdische Kultur. Schriftstellerbesuche aus Israel und der Diaspora, Musik und leckeres Essen ergaben ein umfangreiches Programm.

Ich gehe in eine etwas längere (30 Min.) Veranstaltung in englischer Sprache, Seminar genannt, mit dem Titel »Too much love«. Hila Blum stellt »Att älska sin dotter« (Übersetzung von Aimée Delblanc, Bazar Förlag) vor. In Deutschland ist der Roman in der Übersetzung von Ruth Achlama im Januar 2022 erschienen.

Blum gibt Einblicke in den Entstehungsprozess und »Einblick« ist hier durchaus wörtlich zu nehmen. Die erste Szene im Buch entstand vor dem Hintergrund ihrer Faszination mit der holländischen Sitte hell erleuchteter, unverhangener Fenster. »Es ist ein kultureller Pakt«, hat Blum irgendwann verstanden, als sie merkte, dass niemand außer ihr stehen bleibe und in die Wohnungen starre, »alle verlassen sich darauf, dass man nicht guckt.«

Die Fenstersymbolik funktioniert im Buch als erweiterte Metapher einer nicht zu überwindenden Trennscheibe zwischen Joela und ihrer Tochter Lea. In der lange symbiotisch verlaufenden Beziehung versucht Lea im Erwachsenenalter, sich durch Kontaktabbruch von ihrer Mutter zu befreien.

An Missbrauch und offener Gewalt sei sie nicht interessiert gewesen, erklärt Blum ihre Erzählabsicht. Bei Joela habe sie vielmehr versucht herauszuarbeiten, was geschieht, wenn jemand mit den besten Absichten startet, es also »gut meint«. An welchem Punkt kippt die Zuwendung ins Schädliche? Und besonders wichtig für die Versuchsanordnung: »Lea musste ein Einzelkind sein, damit es keine Geschwisterversion als Relativierung gibt.«

Ist Joela denn nun eine typische »Jewish Mom«? möchte Gesprächspartnerin Madelaine Levy wissen. Nicht wirklich, entgegnet Blum, denn der Stereotyp der jüdischen Mutter sei jemand, die mit Essen und Wärme aufwartet, also eher indirekt ihre Liebe ausdrückt anstatt mit direkter emotionaler Nähe. Die beiden Hauptfiguren hingegen gehen oft auf gemeinsame Reisen, was die Intimität erhöhe und den wichtigen Entwicklungsschritt der »separation« und »individuation« der Tochter erschwere.

Bei der Überarbeitung des Manuskripts hat Blum, die selbst als Lektorin arbeitet, auch schon mal ihre eigene Tochter zu Rate gezogen. Während der Entstehung von »Wie man seine Tochter liebt« war diese 16. Ihre eigene Tochter sei sowohl »life-editor«, als auch Kritikerin ihrer Entwürfe. Wenn sie sagt: »Mommie, was hast du dir dabei gedacht?« weiß Blum, dass sie noch einmal nachdenken muss.

Hila Blum, Wie man seine Tochter liebt. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Berlin Verlag. 320 Seiten. Erschienen am 27.01.2022