Jetzt aber schnell! Bevor am 13.6.24 der neue Roman »Man sieht sich« von Julia Karnick rauskommt (Link zu Leseprobe und Soundtrack s.u.), noch ein Blick zurück auf das Vorgängerwerk für Frauen, die nicht gerne in der Küche stehen.

Sondern lieber dort zusammensitzen und darüber reden, wie sie leben und wen sie sich mit an den Tisch holen wollen. Was zu der Frage führt, wie man das anstellen könnte – und – besonders unterhaltsam – was man machen soll, wenn die innere Stimme grundsätzlich zunächst sagt: »Renn!«

Almud, Yeliz und Tille, drei Frauen um die 50, unterschiedlich ausgebildet und unterschiedlich desillusioniert von Beziehungen, werden Nachbarinnen und versammeln sich mindestens einmal in der Woche um Almuds Tisch. Die vierfache Mutter ist frisch geschieden und kocht wunderbar.

Yeliz arbeitet in einer Agentur an einem Werbespot mit Männern, die sich um ihre Babies kümmern und in der Küche den Brei anwärmen, während die Partnerin sich zum Ausgehen schick macht. Ein Video-Narrativ vollgestopft mit romantischer Vater-Kind-Glück-Atmo, die in der Einblendung von Yeliz’ genialem Slogan gipfelt: »So geht Liebe.« Nein, tut sie nicht. Jedenfalls nicht für Yeliz, die vergebens versucht hat, schwanger zu werden.

Urologin Tille ist alleinerziehend und ausgesprochen handfest unterwegs. Sie hat einen pubertierenden Sohn und jede Menge nerviger Patienten. Als ich ihren ersten Unter-der-Gürtellinie-Männerwitz lese, schwant mir, zugegeben, nichts Gutes.

Aber es zeigt sich, dass Tille eigentlich ganz nett ist. Sie kommt nur nicht so oft dazu, denn ihre Aufgabe im Buch ist es, den Feind im Blick zu behalten. »Tille erkannte ihn sofort – den Mann, der in ihrem Praxissystem als RAL (Riesenarschloch) geführt wurde«.

Man darf nicht erwarten, dass der Küchenroman leichte Kost im »reifen« Chicklit-Stil ist. Es gibt Szenen mit körperlicher und emotionaler Brutalität, die schwer zu lesen sind und bei denen ich schlucken musste. Aber hier zeigt sich eben auch die Fallhöhe, um die es bei diesen angefangenen Frauenleben geht.

Und natürlich ist es spannend zu erfahren, ob besagte innere Stimme trotz aller schlechten Erfahrungen irgendwann sagt: »Halt! Stopp! Jetzt warte doch mal!«

»Am liebsten sitzen alle …« ist genial als Last-Minute-Muttertagsgeschenk oder Snack für zwischendurch, wie z.B. in meinem Fall als kleines Dankeschön für die Freundin, die mir geholfen hat, den IKEA-Online-Küchenplaner zum Absturz zu bringen.

Julia Karnick, »Am liebsten sitzen alle in der Küche«, Roman, dtv, 350 Seiten. Erschienen am 17.8.2022.


Julia Karnick, »Man sieht sich«, Roman dtv, 480 Seiten. Erscheint am 13.6.2024. Link zur Text-Vorschau und Spotify-Playlist