Slavoj Žižek macht bei der Eröffnungsfeier die Feder zum Schwert –

Das Problem war das Timing und der Anlass. Mitten in der größten Trauer um die Opfer des Hamas-Terrorangriffs konnte Gastredner Slavoj Žižek nicht widerstehen, die wohlüberlegten, ausbalancierten Beiträge der Vorredner:innen niederzutrampeln. Leider ist es ihm gelungen maximal zu provozieren, unsere Aufmerksamkeit zu binden und seinem Ruf als effektheischendem Krawallphilosoph gerecht zu werden.

Dabei warnt er uns zu Beginn, wir sollen mit unserem Applaus warten, bis er zu Ende geredet hat. Machen wir natürlich nicht als höfliches Publikum. Als er das Motto des Gastlandauftrittes verhöhnt (»ein Bienenstaat ist das Letzte, worin ich leben will«), sind wir noch bei ihm. Auch als er sich gegen ein »Analyseverbot« wendet. Die ersten gehen unter Protest raus, als er ausführt, was er damit meint.

Klares Statement in Frankfurt

Seine Argumentation läuft auf ein »Was habt ihr erwartet, Israel?« hinaus, trotz aller Beteuerungen, die Verbrechen der Hamas nicht relativieren oder gar rechtfertigen zu wollen. Dieses implizite »Selber Schuld« bringt den hessischen Antisemitismus-Beauftragten Uwe Becker so in Rage, dass er sich Žižek auf offener Bühne entgegenstellt.

Ohne Erfolg. Geradezu autistisch steigert sich Žižek in seine vorbereitete Tirade. Streckenweise ist sein Englisch für mich so unverständlich, dass ich die Übersetzungskopfhörer aufsetzen muss. Jeden Satz beginnt er mit: »Ich bin jetzt am Ende«, aber die Agonie, die er über Veranstalter und Publikum bringt, scheint einfach nicht enden zu wollen.

Tobt sich aus und opfert die Gefühle von Publikum und Veranstaltern der eigenen Eitelkeit.

Die besondere Tragik ist doch, dass er alles fortwischt, was an dem Abend sonst noch gesagt wurde. Karin Schmidt-Friderichs elegantes Lob des Buches als langsames Medium, als »gut abgehangene Information«, bei deren Zubereitung das Vier-Augen-Prinzip (mindestens) angewandt wird. Oder Meljana Cuntas (»Tagesgedichte«, »Mein Nachbar auf der Wolke«) poetische Rede von der Einsamkeit der Autorenschaft und dem Dichten als Schritt ins Leere. Oder Staatspräsidentin Natasa Pirc Musars Würdigung der Dichter:innen als »Fahnenträger des sprachlichen Ausdrucks« und der gemeinsamen Sprache als Definitionsgrundlage für die slowenische Nation. »Die Feder ist stärker als das Schwert«, ist sie sich sicher.

Staatspräsidentin Natasa Pirc Musar

Als Žižeks öffentlicher Egotrip endlich doch zu Ende geht, sieht man Buchmessedirektor Jürgen Boos an, wie sehr ihn der Auftritt des von ihm hochgeschätzten Philosophen mitgenommen hat. Mit glühenden Wangen betont er tapfer, dass es wichtig war, Žižek ausreden zu lassen und unsere demokratischen Ansprüche geben ihm Recht. Aber er sieht aus, wie jemand, dessen Freundschaft gerade missbraucht worden ist.