Wer Fahrgäste wie in Karen Duves »Taxi« hat, braucht keine Feinde mehr –

Vergangenes Jahr wurde Karen Duve mit dem niedersächsischen Walter-Kempowski-Preis für biografische Literatur ausgezeichnet und im Februar liest sie in Oldenburg, Osnabrück und Hannover (Termine s.u.). Ist Duve heute für ihr Einfühlungsvermögen in Kaiserin Sisi und Annette von Droste-Hülshoff (»Fräulein Nettes kurzer Sommer«) bekannt, waren vor einigen Jahren noch ganz andere Frauenfiguren am Start.

Im Roman »Taxi« z.B. findet Ich-Erzählerin Alex diejenigen Fahrgäste besonders nervig, die schon beim Einsteigen sagen: »Ihren Job möchte ich nicht machen«. Orientierungslos und depressiv hat sich die Abiturientin kurz nach der Wende spontan auf eine Zeitungsanzeige gemeldet. Sie bekommt den Fahrgastbeförderungsschein, obwohl sie kein Gedächtnis für Straßennamen hat und findet den Job bei der Taxiklitsche »Mergolan« eigentlich ganz prima. Besonders die Nachtschicht, weil sie sowieso niemanden bei Tageslicht sehen will.

Ihre Kollegen sind nicht weniger bunt als die nächtlichen Mitfahrer. »Taximörder« und »Udo-Zwonullfünf« haben Alex genauso adoptiert wie Frauenhasser Rüdiger und Haupt- und Langzeitliebhaber Dietrich. Der räumt erstmal in Alex Bücherschrank auf. Die Achtziger und Neunziger waren die Zeit der Taxi fahrenden Germanisten und Dietrich findet Böll und Schnurre »Gut gemeint, auch nützlich, um die schlichteren Gemüter zu entnazifizieren, aber mit Literatur hat das natürlich wenig zu tun.«

Alex’ eigene literarische Interessen liegen vor allem bei Büchern über Affen. Mit deren Hilfe erklärt sie sich auch den Untergang der DDR: »Die vorrangigen Primaten-Interessen heißen nun einmal nicht Gleichheit und Brüderlichkeit, sondern Macht und Geltung.«

Ich habe sogar eine Ausgabe in der Taxifarbe RAL 1015. »Hellelfenbeinfarben, also wie blasser Eiter.«

Als sie mit der Zeit erschöpft auf die Nachmittagsschicht umsteigt, unterhält sie sich ganz gerne mal mit lebenslustigen 80jährigen Damen. Man ist sich einig, dass es eigentlich 500 Jahre bräuchte, um sein Leben auf die Reihe zu kriegen und jemanden zu finden, »der einem wirklich etwas bedeutet«. Nebenliebhaber Marco ist es jedenfalls auch nicht. Oder immer nur dann, wenn eine Tour sowieso mal in seine Gegend führt.

Jegliches Ehe-Gedöns schreckt Alex ab und sie vermutet eine Art Stockholm Syndrom bei Hausfrauen. So manche Ehefrau bliebe nur deshalb bei ihrem Ehemann, »weil sie es sich nicht leisten kann, ihn zu hassen«. Denn »sonst ist da keiner«. Da fährt sie doch lieber morgens die Prostituierten nach Hause in die Hamburger Vororte (»Funny Club für Natascha, Danke Zwodoppelvier.«) und muss beim Nachhausekommen niemandem begegnen. Außer ab und zu Nachbar und Seitensprung Majewski auf der Treppe.

Karen Duve, »Taxi«, Roman, Eichborn, 2008, 313 Seiten.

Mit der Lesereise »Von allem« kommt Karen Duve am 7.2.24 ins Literaturhaus Oldenburg (19.30), am 8.2.24 in den Ledenhof nach Osnabrück (19.00) und ins Literaturhaus Hannover am 13.2.24 (19.00).