Ich habe gerade die letzten bunten Ostereier an den Forsytienzweig in der Bodenvase gehängt, als ich meine Nachbarin von unten schimpfen höre.

»Blödes Vieh,« schreit sie. Es hört sich so an, als ob sie auf dem Balkon steht und in den Garten runterschreit. »Lass das!«

Ich blicke mich um und suche meine Katze, aber die habe ich mit Beginn der Osterdeko-Aktion vorsichtshalber raus in den Garten geschickt. Sie ist erst acht Monate alt und noch sehr verspielt. Die zarten ausgeblasenen Kunstwerke soll sie lieber nicht in die Pfoten bekommen. Sie versehen seit über 30 Jahren ihren Dienst in unserer Familie. Ich habe sie in der 3.Klasse im »künstlerischen Gestalten«, also im Bastel-Unterricht, angefertigt. Zuvor hatte es Tränen gegeben, weil ich natürlich erst am Abend zuvor um 20 Uhr damit rausrückte, dass ich zwei ausgeblasene Eier brauchte. Mutter war »not amused« (»Das sagst du jetzt!« usw.)

Ich laufe vorsichtshalber mal runter zu meiner Nachbarin, die tatsächlich auf dem Balkon steht.

»Deine Katze jagt Mini und Jakob«, konfrontiert sie mich ohne mich zu begrüßen. »Das geht nicht, die sind doch noch so klein und völlig wehrlos«. Mini und Jakob sind Zwergkaninchen, die meine Nachbarin sich für Ihre zwei Jungs zu Ostern hat schenken lassen. Der ganze Garten wurde daraufhin hasensicher eingezäunt. Flüchten können sie also nicht.

Ich sage erstmal nichts, sondern stelle mich neben meine zeternde Nachbarin und besehe mir mit ihr die Szene im Garten. Bald sagt sie dann auch nichts mehr, denn was wir sehen, ist Folgendes:

Zwei winzige Karnickel, eines grau-weiß, eines braun, halten die gegenüberliegende Ecken des Rasens besetzt und setzen abwechselnd zur Jagd auf meine kleine Katze an.

Hakenschlagend versucht die sich in die jeweils leere Ecke des Gartens zu flüchten, nur um festzustellen, dass Mini oder Jakob sie dort schon erwartet.

Mit den Worten »Ich gehe dann mal meine Katze retten« mache ich mich auf den Weg nach unten.

Isa Tschierschke