Analog zu den Kollegen von der Sportschau fragen die Moderatoren der Buchmesse ihre Interviewpartner gerne als Erstes nach der emotionalen Befindlichkeit. Eine, die bereitwillig und unterhaltsam Auskunft gab, war Judith Holofernes, die auf der Messe »Die Träume anderer Leute« vorstellte.

»Ein so persönliches Buch ist natürlich nochmal etwas anderes als die Tiergedichte«, antwortet sie auf die Frage von Moritz Müller-Schwefe nach ihrem Befinden. Nach dem Kinderbuch hatte sie das Bedürfnis, endlich die Geschichte zu schreiben, die sie selber gebraucht hätte. Als die Zeit mit »Wir sind Helden« vorbei war, begann ihre Suche nach literarischen Vorbildern und dem Sujet des »Danach«, der Phase nach dem Rausch des frühen Ruhms. Als sie nicht fündig wurde, fing sie selbst an, sich »schreibend zu befreien«, zurück zu ihrem eigenen Ehrgeiz und weg von den Erwartungen der Musikindustrie.

Die Buchbranche empfindet Judith Holofernes als vergleichsweise »entspannt«. Als Musikerin kennt sie die Maschinerie quantitativer Vorgaben (statt Qualitätsansprüchen), fester Taktung von Albumproduktion und Konzerten und langen Planungszyklen, die für eine Mutter mit zwei Kindern gar nicht zu überblicken sind.

»Nach langem Liebeskummer sind die Musik und ich jetzt wieder gut befreundet«, sagt sie und grinst darüber, dass ihre Songs (z.B. »Die Reklamation … ich will mein Leben zurück«) schon vor über fünfzehn Jahren »viel schlauer waren als ich«.
Und weil die Magie des Schreibens solche Prozesse vorantreibt, hat sie sich auf der Messe schon mal jede Menge neue Notizbücher gekauft.

Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute. Kiepenheuer&Witsch. 2022. 407 Seiten.