Fien Veldman mit »Xerox« –
»Ich schmiege meine Wange an seine rechte Seite. Glatter, beruhigender Kunststoff. Er steht auf Stand-by.« Die Ich-Erzählerin und ihr Laser-Drucker sind ein Paar. In puncto Kommunikation sind sie mancher rein menschlichen Kombination überlegen.
Wenn ihr alles zuviel wird, beruhigt er sie mit gleichmäßigem Standby-Brummen und wenn er wegen des billigen Recyclingpapiers mal staut, geht sie los und kauft ihm das hochwertige glatte. In einem Umfeld, in dem sich alles um Energie und schnelles Geld dreht, sind sie füreinander da: »Du und ich, wir sind langsam«.
Unter Stress hingegen schaltet sich die Ich-Erzählerin einfach ab. Sie wird ohnmächtig. Passiert das auf der Straße, muss sie eine Weile liegen bleiben und die Touristen halten sie für einen Mme. Tussaud’s Gag und finden sie »gruselig echt«.
Fien Veldman (Jahrgang 1990), Journalistin und Theaterkritikerin aus den Niederlanden, hat mit ihrem Debütroman »Xerox« eine bitterböse Abrechnung der neoliberalen Start-up-Szene vorgestellt.
Die Mitarbeiter einer nicht näher beschriebenen hippen Firmenneugründung sind mehrheitlich schöne und reiche Abkömmlinge der oberen Mittelklasse. Sie haben, wie alle im Roman, keine eigenen Namen, sondern heißen Marketing, Public Relations oder Partnerships.
Die Hierarchien sind, man ahnt es, alles andere als flach. Die Ich-Erzählerin befindet sich am unteren Ende der Nahrungskette und verdient wenig mehr als die Reinigungskräfte. Sie muss sich von jedem Festangestellten, »der monatlich 1.700 Euro netto mehr verdient als ich, einen unbefristeten Vertrag und eine Hypothek hat« auch noch blöde Gutmenschen-Sprüche gefallen lassen. »Wieso?« heuchelt Marketing, »Ich finde das, was du tust, einfach wirklich superwichtig. Du bist das Bindeglied zum Kunden und für die Abläufe unentbehrlich. Wenn wir dich nicht hätten, dann [irgendwas Pseudophilosophisches], während ich [irgendwas Selbstironisches]«.
Sie wird zu Brainstorming-Meetings hinzugeholt (»Es gibt so viele Mittel und Wege, um Ideen und Gedanken zu vernichten«) und darf mit in die teuren Restaurants zum After-Work Chillout. Dort wird über den illustren Bekanntenkreis geredet und natürlich ist man auch künstlerisch ambitioniert. Partnerships Freund z.B. hat »Ein Speedboot in Italien« und macht »Kohleskizzen zur Flüchtlingskrise«.
Vergebens quält sich die Erzählerin durch die Firmenrituale. Marketing verpetzt sie. Weil sie mit ihrem Drucker lange Gespräche führt, wird ihr unterstellt, dass sie während der Arbeitszeit telefoniert und sie wird freigestellt.
So frei aber nun auch wieder nicht, denn um einen gewissen Prozentsatz ihres Gehalts weiter zu beziehen, muss sie sich der Beratung eines Coaches unterziehen, der ihr Yoga und Achtsamkeitstraining verordnet. Das soll ihr helfen wieder auf die Beine zu kommen, d.h. in demselben System zu funktionieren, das sie überhaupt erst krank gemacht hat.
Mobiler Cliffhanger im Roman ist ein weiteres Phänomen unserer zeitgenössischen Lebensweise: die angeblich zugestellte Paketsendung. Jeden Tag macht sich die Ich-Erzählerin auf die kafkaeske Suche nach dem Verbleib eines Pakets, aber die Adresse auf den digitalen Zustellbescheiden gibt es entweder nicht, oder aber es ist niemand anzutreffen oder niemand aus ihrer Firma will eine Bestellung aufgegeben haben. Echt gruselig.
Fien Veldman, »Xerox«, Roman, aus dem Niederländischen übersetzt von Christina Brunnenkamp, 224 Seiten. Erschienen am 19.02.2024.
Schreibe einen Kommentar