Ia Genbergs Roman »Die Details« –
Wie eine Skizze liest sich Ia Genbergs verhältnismäßig dünner Roman »Die Details«, besonders wenn man die wortreichen Ergüsse männlicher nordischer Autoren damit vergleicht. Mit ein paar souveränen Strichen entwirft sie ein Portrait der Millenials in den europäischen Großstädten (hier: Stockholm) während der vergangenen dreißig Jahre.
Sie tut das nicht, indem sie sich selbst in den Mittelpunkt rückt, sondern zeigt ihre eigene Entwicklung als Reaktion auf die Handlungen wichtiger Menschen, die auf sie einwirken. Vier davon greift sie heraus: die Karrierefrau Johanna aus wohlhabenden bildungsbürgerlichem Haus, die kaputte Narzisstin Nicki, deren verhasste Eltern ihr geduldig den selbstzerstörerischen Lebenswandel finanzieren, Alejandro, den Tänzer/Sänger/Künstler, der eigentlich viel zu flüchtig ist, um in einem Buch festgehalten zu werden, und schließlich Birgitte, die Frau mit psychiotischen Episoden, deren Geschichte sich nicht ohne ihren Mann erzählen lässt.
Und so webt Genberg ausgehend von vier Knotenpunkten ein Netz aus wichtigen Einflüssen und räumt ganz nebenbei mit dem Mythos auf, dass unser Lebensweg ein Produkt unserer selbst ist. Wir sind gleichzeitig Objekte und Subjekte unserer Verbindungen, auch derer, die sich uns verweigern oder die wir nicht eingehen, weil sie uns verletzen könnten. Alejandros lebenswichtige Bedeutung spielt die Ich-Erzählerin gerne als »kolossale Kleinigkeit« in ihrem Leben herunter. Es muss ja nicht jeder wissen, wer einem wirklich nahe geht.
Genberg benutzt die kribbelige Endzeitstimmung um die Jahrtausendwende als Fluchtpunkt, auf den die Dinge damals hinauszulaufen scheinen. Aber jetzt, über zwanzig Jahre später, herrscht immer noch das gleiche Gefühl. »Bald ist es zu spät,[…] deshalb müssen wir unser Äußerstes geben«.
Ia Genberg, Die Details, übersetzt von Stefan Pluschkat, Roman, Rowohlt, 144 Seiten, erschienen am 15.8.23. Als Hörbuch, ungekürzt, gesprochen von Marion Elskis. GoyaLit. Dauer: 4 Stunden, erschienen am 17.8.23
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