Jonas Hassen Khemiris neuer Roman »Systrarna« –

Die Buchmesse in Göteborg komme ihm vor »wie ein Rockkonzert«, sagt Jonas Hassen Khemiri, 44, zur Begrüßung. Dabei ist der preisdekorierte Autor von Theaterstücken und sechs Romanen Trubel gewöhnt. Geboren und aufgewachsen in Stockholm lebt er mittlerweile in New York City und unterrichtet an der New York University kreatives Schreiben. »Wir Menschen sind Sinnsuchmaschinen«, fasst er unsere Leidenschaft für Geschichten zusammen. In Deutschland erschien von ihm zuletzt 2020 bei Rowohlt »Die Vaterklausel« in der Übersetzung von Ursel Allenstein.

In »Systrarna« (zu deutsch: die Schwestern, Albert Bonniers Förlag, 4.9.23), lernt Jonas, Alter Ego des Autors, in seinem Wohnviertel in Stockholm drei Einwanderermädchen kennen. Die Schwestern sprechen nur Englisch miteinander, die Sprache ihres gemeinsamen Sehnsuchtslandes USA.

Jonas ist die vierte Hauptfigur und will »sein Leben durch das der Schwestern besser verstehen«, insbesondere die unsichtbaren Blockaden, die wie ein Fluch auf sie zu wirken scheinen. »Wie im Leben auch, läuft die Zeit im Buch immer schneller«, erklärt Khemiri den Aufbau, bis alles im letzten Kapitel auf eine Minute hinausläuft.

Er versucht mit einem Beispiel zu erklären, was es mit dem zentralen Familienbann in »Systrarna« auf sich hat. »Stellen Sie sich vor, jemand belegt sie mit dem Fluch, für den Rest ihres Lebens den Bus zu verpassen.« Natürlich würde man das zuerst nicht ernst nehmen, bis einem zum ersten, zweiten, dritten Mal der Bus vor der Nase davonfährt. Irgendwann wird der Gedanke zum verinnerlichten Glaubenssatz und das passiert den drei Schwestern: »Alles, was wir je lieben, werden wir verlieren« lautet ihr Fluch.

Alle Beteiligten im Buch müssten lernen, nicht mehr im Schatten von Glaubenssätzen zu leben, erklärt Khemiri. Der Trick bestehe nicht darin, zu versuchen, den Dämonen, die Hyäne, wie er es nennt, zu töten, sondern sie einzuladen sich mitzuteilen und ihr zuzuhören.

Khemiris eigener Trick als Romanautor bestand darin, das ganze Manuskript zunächst auf Englisch zu schreiben, um andere Zugänge zu der Geschichte zu aktivieren. Nachdem sein Verlag kein Interesse zeigte, den »ersten schwedischen Roman auf Englisch« zu veröffentlichen und auf dem konservativen Vermarktungsweg bestand, hat er eine Rückübersetzung angefertigt. Schade eigentlich. Man sollte die globale Leserschaft nicht so unterschätzen. Alle Lesefans, die des Schwedischen nicht mächtig sind, hätten sich auf die Originalversion gestürzt und müssen nun ungeduldig auf die Übersetzungen warten.