In »Seemann vom Siebener« von Arno Frank ist die Kulisse eine Hauptperson: das bundesdeutsche Freibad.

»Ich springe nicht wirklich ins Wasser. Ich biete ihm die Stirn«. Wer in den Freibädern der Republik seine Sommer verbrachte, wird sich in »Seemann vom Siebener« von Arno Frank selbst erkennen mit den ganz frühen, den viel zu späten und, vor allem, den großen Sprüngen des Lebens.

Das Freibad ist »eine eigene Zivilisation, die nur sommers für ein paar Monate aufblüht, unter einem eigenen Netz aus Regeln. Auf den Platten nicht rennen! Vor Betreten des Beckens duschen! Nicht vom Beckenrand springen!«

Hier treffen sich an einem flirrend heißen Sommertag die Bewohner einer pfälzischen Kleinstadt im Vorfeld einer Beerdigung, die sie irgendwie alle betrifft. Einer ist von weit her angereist und alle gehen sie ausgerechnet ins Freibad. Dorthin, wo ein kollektives städtisches Trauma auf sie wartet, das jeder auf seine Art verarbeiten muss, z.B. mit einem gewagten Sprung.

Arno Frank verbindet alle Generationen und die unterschiedlichsten Menschen miteinander an diesem Insel-Ort, an dem das Leben und das Schicksal draußen für ein paar Stunden ausgehebelt scheint. Vielleicht zieht es deshalb alle hierher.

Auch die dement werdende Grundschullehrerin, die ihren ehemaligen Schüler zunächst nicht wiedererkennt. Aber dann erinnert sie sich an seine Obsession mit der Polaroid-Kamera. Sie selbst misstraut dem Fotografieren, besonders von Kindern: »All diese Gesichter wirken wie unbeschriebene Blätter, dabei sind sie mit unsichtbarer Tinte schon längst bis zum Rand vollgekritzelt. Und die Rückseiten auch!«

Beim Verlassen des Schwimmbads muss jeder die eigene Zukunft dann wieder alleine bewältigen. Mit der schwer zu erlangenden »Superkraft der Selbstverständlichkeit«.

Arno Frank, Seemann vom Siebener, Klett-Cotta, 240 Seiten, erschienen am 18.3.23

Isa Tschierschke