Ich fahre durchs hessische Hinterland, und gerade als mir einfällt, dass ich noch Katzenfutter einkaufen muss, habe ich plötzlich das deutliche Gefühl, dass zuhause etwas nicht stimmt. Seit ein paar Tagen habe ich meine erste Katze. Eine schwarze. Ich bin nicht abergläubisch. Noch nicht.

Weil ich mir vorgenommen habe meiner inneren Stimme möglichst immer zu folgen, wende ich und fahre erstmal heim um nach dem Rechten zu sehen. Ich schließe auf und kann am anderen Ende des langen Flurs bis ins Wohnzimmer sehen. Seit die Katze da ist, müssen alle Türen offen bleiben. »Sie mag keine geschlossenen Türen« hatte man mir bei ihrer Empfangnahme noch mit auf den Weg gegeben. Wie so viele andere gut gemeinte Andeutungen hatte ich das in der freudigen Aufregung nicht so ernst genommen. Bis ich die erste schlaflose Nacht verbrachte, weil ich versuchte meine Schlafzimmertür geschlossen zu halten.

Ich sehe also von weitem meine neue schwarze Katze besonders gerade und erhobenen Hauptes auf dem Couchtisch sitzen. Das ist verboten, denn ich hatte mir vorgenommen, dass Tische, an denen wir auch essen, für Tiere tabu sein müssten. Sie blickt mir direkt und erwartungsvoll ins Gesicht und ich spüre: der Couchtisch ist nicht das Problem.

Ich sehe mich um und kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Keine zerbrochene Vase mit Wasserlachen und den Resten eines Blumenstraußes verstreut auf dem weißen Wollteppich. Auch keine neuen Kratzspuren auf dem Baumwoll-Mischgewebe-Ikea-Sofa, das ich noch in Vor-Katzen-Zeiten angeschafft hatte und das jetzt als Kratzbaum dient (während der Kratzbaum bisher ungenutzt in der Ecke gegenüber steht).

Alles soweit in Ordnung und ich wende mich wieder zum Gehen, um zum »Fressnapf« zu fahren, als mein Blick auf den Blumentopf mit rosa Eisbegonien am Fenster fällt. Die herbstliche Nachmittagssonne bescheint genau diesen Fleck auf der Fensterbank und in ihrem schrägen warmen Licht leuchtet der weiße Bauch einer toten Maus.

Die Leiche liegt auf einem flachen rot-gold bemalten Kiesel, den ich zur Grundschulzeit meines Sohnes mit Kindern gesammelt und bemalt hatte. Alle vier Pfoten sind in die vier Haupthimmelsrichtungen ausgestreckt und der Kopf hängt leblos genau nach Nordosten. Lediglich an der nach hinten überstreckten, weißen Gurgel finden sich zwei winzige Löcher, aus denen je ein Tropfen weinrotes Blut austritt. Zweifellos die Unterschrift meiner neuen schwarzen Katze.

Sie folgt meinem Blick mit unverhohlenem Triumph in den Augen ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. 

Heute Nacht bleibt die Schlafzimmertür zu!   

Isa Tschierschke