Ich fahre durchs hessische Hinterland und gerade als ich denke, dass man hier ganz schnell depressiv werden könnte, rennt mir eine Katze (grau, getigert, so viel kann ich gerade noch sehen) von rechts unters Auto. Es gibt einen dumpfen Knall, ich bremse den Wagen ab, schaue beim Rechts-Ranfahren in den Rückspiegel. Kein Opfer auf dem Asphalt hinter mir. Oh, nein! Jetzt habe ich sie angefahren und sie versucht sich schwer verletzt in Sicherheit zu bringen. 

Ich steige aus und scanne die umliegenden Gehöfte. Das Tier kann zu jedem Haus gehören, aber irgendwo muss ich ja anfangen. Gleich an der ersten Haustür habe ich Glück. Es öffnet jemand und ich finde sogar Gehör. Einen Moment lang hatte ich befürchtet, mir die unter Landwirten verbreiteten Sprüche anhören zu müssen: »Ist doch bloß ’ne Katze. Wieso machen Sie da so ein G’schiss?« 

Aber stattdessen fragt die Frau, die etwa im gleichen Alter ist wie ich: »Wie sah sie denn aus?« Ich beschreibe, was ich sehen konnte. 

»Ja, das ist bestimmt meine.« Mir sinkt das Herz. Ich sehe sie schon wimmernd vor mir zu Boden gehen und — schlimmer — dem Kind, das gerade die Treppe herunterkommt und fragt: »Was ist denn?« mit tonloser Stimme und einfachen Worten den Tod erklären. 

»Die macht so was häufig,« sagt sie stattdessen und wendet sich wieder ihren Töpfen zu. 

»Wie meinen Sie?« 

»Na, sie jagt Autos,« erklärt sie, steckt sich den Kochlöffel zum Abschmecken in den Mund und zeigt anschließend damit auf die Terrassentür: »Da isse doch.« 

Dieselbe graugetigerte Katze, die ich schwer verletzt im Straßengraben gewähnt hatte, betritt das Parkett des Wohnzimmers, hält einen Sekundenbruchteil inne als sie meiner gewahr wird und schwingt sich mit zweifellos unverletzten Sprunggelenken aufs Sofa, wo sie mit der Fellpflege beginnt. 

»Ich dachte,« setze ich an, aber die Hausfrau winkt mit dem Kochlöffel ab.

»Lassense man, Sie sind nicht die Erste, die hier deswegen klingelt. Für die ist das Sport. Man kann hier sonst ganz schnell depressiv werden.«