Ich sitze mit meinem Heißgetränk vor dem Fernseher, um mir Charles‘ Krönung anzusehen. Als ich noch ein Kind war, gehörte seine Thronbesteigung in den Bereich Science Fiction. Wir wuchsen mit dem sicheren Gefühl auf, dass Elizabeth schon immer dagewesen war und das auch immer sein würde, und dass Charles nur da war, weil eine Königin eben auch mal schwanger wird. So wie unsere Katze damals, die auch einen »Unfall« hatte, bevor sie kastriert wurde.

Als die königliche Kutsche ins Bild rollt, bricht im Stockwerk unter mir eine kräftige Männerstimme in ein maschinengewehrartiges Selbstgespräch aus, begleitet von unregelmäßigem Jaulen. Seit zwei Wochen habe ich einen neuen Nachbarn. Kann es sein, dass er Tourette-Syndrom hat? Der junge Mann war mir eigentlich sofort sympathisch, denn als er einzog, trug er einen Siam-Mix auf dem Arm und redete beruhigend auf das Kätzchen ein. Dann schleppte er nacheinander drei Instrumentenkoffer ins Haus und ich war alarmiert.

Ich habe nichts gegen Musik, aber das Gerappe und Gewinsel von unten ist als solche nicht zu erkennen. Seufzend lege ich die Untertasse mit dem »Countryside« -Muster über die Tasse, damit mein English Breakfast Tea nicht kalt wird und bringe das Milchkännchen vor meiner Katze in Sicherheit. Dann gehe ich nach unten und klingel in einer Jaulpause.
»Oje, bin ich zu laut?«
Ich versuch’s diplomatisch.
»Was – äh – übst du denn?«
»Einen Katzen-Song von Eminem, den eine künstliche Intelligenz komponiert hat. Ich hab’ ihn umgedichtet und noch um ein paar Riffs erweitert«.

Dann legt er los: »Meow, meow, meow, you know who’s king of the house? He drives me crazy, but I don’t need a spouse!« Sein Siam-Mix sitzt auf einem 2,40m Kratzbaum mit schwarzem Plüschbesatz und gähnt. Der aufgeklappte Laptop auf dem Schreibtisch zeigt ein Bild von ihm aus Kater-Kindertagen mit einer digital eingefügten Krone zwischen den Öhrchen.
»Ah okay, alles gut – ich geh’ dann mal wieder hoch.«
So ein liebevoller Katzen-Papa dürfte meinetwegen auch Death Metal zur Krönung spielen.

Ich nehme meinen Platz wieder ein, die königliche Kutsche hat Westminster Abbey erreicht, unten wird weiter gehiphopt und mit der Teetasse proste ich meiner Katze zu: »God save the King!«