Als die Ankündigung kam, Ex-Bundesrätin Doris Leuthard würde »Nicht Anfang und nicht Ende« von Plinio Martini mit in den SRF-Literaturclub bringen, war die Neugier groß.
Der Roman ist ein Auswanderer-Memoir voller Reue und Härten, die zu schildern wichtig waren. Gerade für diejenigen, die das Tessin romantisieren. In anderen Teilen der Schweiz ist womöglich vergessen, wie bitterarm manche Täler waren und wie verbissen man dort zu Beginn des letzten Jahrhunderts den Bergen die bloße Existenz abtrotzen musste. »Sie hatten [… ]sogar Erde auf die größeren Felsblöcke hinaufgeschleppt, um ein paar Gemüsebeete anzulegen oder ein Stückchen Wiese, das vielleicht eine Hand voll Heu lieferte.«
Leuthard begründet in der Sendung ihre Wahl mit diesen Inhalten. Der Roman zeige eine »ganz andere Schweiz« und thematisiere, was wirklich am Leben wertvoll sei. Elke Heidenreich zeigt sich beeindruckt, nennt den Stil »innig und direkt« und lehnt sich weit aus dem Fenster: »Den Kehlmann hab‘ ich irgendwann vergessen, den nicht.«
Literarisch fehlt mir eine stärkere Dramaturgie, z.B. durch eine Erzählinstanz, die den Bogen spannt. Die Ich-Perspektive lässt noch nicht nötige Distanz zu den Tagebüchern Martinis aufkommen. Sogar die Liebesgeschichte gerät für meinen Geschmack zu berichthaft. Aber als Chronologie der Not, die vor hundert Jahren Europäer nach Amerika scheuchte, ist »Nicht Anfang und nicht Ende« ein anrührendes Dokument.
Plinio Martini, Nicht Anfang und nicht Ende, Roman. Übersetzt von Trude Fein. Limmat Verlag, 240 Seiten. Erschienen am 24.7.23
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