»Das Fremde zu beachten bringt Unheil« ist einer der rätselhaften Sprüche, mit denen Pablo Ridorsa, Schüler im Jesuitenkolleg von Palma de Mallorca, nichts anfangen kann. Der Kurz-Roman »Der Bericht Guillermo Stein« von José Carlos Llop wird aus seiner Sicht erzählt.
Die Handlung spielt in den Sechzigerjahren, als Franco noch regiert. Wie in einer Diktatur üblich, herrschen in der Bevölkerung Misstrauen, ängstliches Schweigen und Denunziation. Pablo lebt bei den Großeltern und kennt seine Eltern nur von Fotos. Warum sie nicht bei ihm sind, hat er nie erfahren.
Als ein neuer Mitschüler, Guillermo Stein, auftaucht, erhalten die Kinder den Auftrag ihn auszuspionieren und zwischen Pablo und Guillermo entsteht eine Freundschaft, die Pablos Leben für immer verändert.
Während die Handlung oft enigmatisch ist, sind Llops Beschreibungen von Palma de Mallorca präzise und erzeugen plastische Bilder der Stadt vor der mallorquinischen Naturkulisse.
Weniger genau, wie es der Perspektive der Pubertät entspricht, sind Llops zarte Andeutungen für zarte Gefühle. Die Auslassungen, sprachlich wie inhaltlich, sind es, die hier am stärksten wirken.
So wird »Der Bericht Stein« zum kunstvollen Kurz-Roman der Lücke, des Ungenauen, eben des Sich-Entziehens des Beobachteten, was ja genau Gegenstand der Erzählung ist. Die Kinder büßen für den Betrug und das Schweigen der Erwachsenen und erst als die Lüge ans Licht kommt, wird das Leben aus seiner eisigen Starre erlöst und kann wieder fließen. Überrascht wird Pablo Zeuge, wie sogar eine wichtige Vitalfunktion der großelterlichen Ehe wieder einsetzt: ein langanhaltender und lautstarker Streit.
José Carlos Llop, Der Bericht ›Guillermo Stein‹. Roman. Aus dem Spanischen von Christiane Quandt. Kupido Iberisches Panorama. Deutsche Erstausgabe. 96 Seiten. Gebunden, Schutzumschlag und Leseband.
€ 18,80 (D) | € 20,80 (AT)ISBN 978-3-96675-212-1
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