»Wackelkontakt« von Wolf Haas ist der buchgewordene Kurzschluss –

»„Du hast dich umgebracht”, sagte er.
„Auf welche Weise?”
„Geht dich nichts an. Privatsache.”«
Die Fiktion von Identität in Zeugenschutzprogrammen habe ihn immer schon gereizt, sagt Haas in Interviews und man merkt, dass er beim Schreiben von »Wackelkontakt« richtig Spaß hatte.

Trauerredner Franz Escher und Ex-Mafioso Marko Steiner sind die Hauptpersonen zweier kunstvoll aufeinander bezogener Geschichten, die durch die jeweilige Lektüre vorangetrieben werden. Der eine liest vom Lebensweg des anderen und als Markos Tochter irgendwann auch noch anfängt, in Papas Buch zu schmökern, begeht sie eine beherzte Kurzschlusshandlung, die aller Schicksal besiegelt.

Neben dieser genialen Doppel-Helix-Struktur des Plots bietet »Wackelkontakt« sprachliche Kalauer und unterhaltsame Beobachtungen in Reihenschaltung. Da gibt es den Ersatzteillieferanten »Teile und Herrsche«, »Trick 17« als zärtliches Motiv und Codewort in der Familie Steiner und das Dissertationsthema von Trauerrednerkollegin Nellie: »Be- und Enthauptungen in der Malerei von 1520 bis 1620«.

Überhaupt bietet die Figur der Nellie Autor Haas die besten Anlässe zwischenmenschliche Weisheiten unterzubringen. »Escher hatte keine Freude mit Nachrichten, die mit dem Satz „Versteh das jetzt nicht falsch“ begannen. Solche Sätze verstand man immer richtig, wenn man sie falsch verstand.«

Wenn Escher Nellie in einem Manuskript als »herzlosen Empathieautomaten« bezeichnet, meint man Haas’ Echo aus »Eigentum« zu hören, dem Vorgängerroman rund um das Begräbnis seiner Mutter. Vielleicht stand ja ein:e echte:r Trauerredner:in Pate?

Unter der heiteren Oberfläche von »Wackelkontakt« liegt nämlich noch ein durchaus beunruhigender Kontrast, der einen gesellschaftlichen Trend zu markieren scheint. Der von ehrlich-solidem Handwerkertum (vertreten z.B. durch Markos Können als Rennrad-Restaurateur) auf der einen und nervtötendem Geschwurbel und Geschwätz auf der anderen Seite mit längst zu Tode gerittenen Versatzstücken. »„Empathie” begann zu grassieren. Wahrscheinlich bestand ein direktes Verhältnis zum gleichzeitigen Aussterben dessen, was der Begriff bezeichnet.«

Wolf Haas, »Wackelkontakt«, Roman, Hanser, 240 Seiten. Erschienen 09.01.2025.