Mag ja sein, dass Neugier noch keine Liebe ist. Aber sie ist auf jeden Fall der Funke, den es braucht, um jemanden wirklich kennenlernen zu wollen.
»Erzähl‘ mir was über dein Land« bittet die Leipziger Erzählerin Juno den nigerianischen Love Scammer Benu in Martina Hefters »Hey guten Morgen, wie geht es dir«. Die Liebe entsteht durch die Neugier auf das Fremde. Juno kauft sich Reiseführer und scannt die Tagesnachrichten mit Nigeria im Fokus. Aus ihrer selektiven Wahrnehmung wird Verbundenheit und »irgendwann hatte sie bemerkt, dass sich kleine Wahrheiten in ihre Lügen schlichen.« Man lernt sich kennen.
Und warum funktionierte das in den Neunzigern bei Ost- und Westdeutschen nicht genauso? Journalist Stefan Wüllenweber erinnert sich: »Wir kannten New York, Paris, und auch in London brauchten wir keinen Stadtplan. Manche von uns wollten Entwicklungshelfer in Afrika werden. Aber für die Deutsche Bank nach Leipzig gehen?«
Ich erinnere mich auch. Ein Berliner Taxifahrer holte mich im Frühjahr 1990 in Charlottenburg bei einer Freundin ab und weil er warten musste, las er die Namensschilder auf der Klingelanlage. Und lachte: »Nee, wa? Ein E. Mielke wohnt hier auch?« Meine Reaktion war viel zu langsam für einen Berliner Taxifahrer. Er guckte mich nachdenklich an und sagte: »Aber dass es die DDR nicht mehr gibt, haben Sie schon mitbekommen, oder?«
Er hatte nicht ganz unrecht mit seiner Kritik. Ich war in Gedanken schon längst wieder weg und mit der Bewerbung für mein zweites Auslandsjahr in den USA beschäftigt. Portland, Oregon war mir viel näher als Weimar oder Dresden. Neugierig wie auf Nigeria hätten wir sein sollen. Sollten wir immer noch sein!
Martina Hefter, »Hey guten Morgen, wie geht es dir?«, Roman, Klett-Cotta, 224 Seiten. Erschienen am 13.07.2024
Walther Wüllenweber, »Wir Fernsehkinder. Eine Generation ohne Programm«, Rowohlt, 141 Seiten. 1. Auflage 1994. Das Zitat stammt aus dem Kapitel: »Motzki oder Ausland mit gleicher Währung«.
Titelfoto: 3sat aus dem Beitrag vom 31.10.24
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