»Warum sollte man gegen jemanden kämpfen, den man liebt?« fragt Hermione angesichts der Rätsel, die George ihr aufgibt. Hermione Beldame, Mitte sechzig, heißt eigentlich Elsa Schutz, war viermal verheiratet und hat sich mit Liebesromanen einen Namen und sehr reich gemacht. Sie wohnt in einer fünf-Zimmer-Wohnung hoch über dem Central Park, während George, Reporter aus Louisville, Kentucky, nur zu Besuch in New York ist.

Dass er nicht nur Provinzler ist, sondern auch einige Jahre jünger als die Ich-Erzählerin, spielt diese gerne herunter und entwirft ständig wechselnde Szenarios eines zukünftigen Beisammenseins. Ein Luftschloss ist größer als das andere und sie muss zugeben, dass es sie mächtig erwischt hat, als sie schon gar nicht mehr damit rechnete.

»Ich benahm mich wie ein verträumter Teenager. Was ich nie getan hatte, als ich ein Teenager gewesen war.« Gut vernetzt wie Hermione ist, fragt sie ihre besten Freundinnen um Rat. Deren Reaktionen sind nicht hilfreich. »”Nein!” Sie knallte die Tasse auf die Untertasse. „Das glaube ich nicht! In deinem Alter! Bist du immer noch nicht klüger geworden?”«

Ihre aktuelle Situation nimmt Hermione zum Anlass, um in ihre Vergangenheit hinabzusteigen und Bilanz zu ziehen. Aus armen Verhältnissen kommend, war sie die einzige der großen Geschwisterschar, die es bis ins College schaffte und dann wegen einer Schwangerschaft und der damit erzwungenen Heirat das Studium abbrechen musste. Achtzig Bestseller, zwei Scheidungen und zwei verstorbene Ehemänner später, muss sie sich immer noch einen Mangel an Lebensklugheit eingestehen: »Der Gedanke, dass ich mich einmal damit gebrüstet hatte, Ambivalenz zu verstehen!«

George sträubt sich zwar, Hermione seine Telefonnummer zu geben und hat laut eigenem Bekunden Angst, als »eine Ihrer Romanfiguren zu enden«, ist aber dennoch fasziniert vom Schriftstellertum: »In Romanen kann man nämlich die Wahrheit erzählen. In einer Zeitung kann man das nicht, nicht wirklich. Man kann gewisse Tatsachen festhalten, aber nicht die Wahrheit.«

Die Wahrheit über George findet die Ich-Erzählerin bis zum Ende des Sommers nicht heraus, aber dafür eine Menge über sich selbst. »Es ist keine nette, niedliche, reizende, händchenhaltende Liebelei. Es zerpflügt dein ganzes emotionales Ich – das weit davon entfernt ist reizend zu sein – durch einen einzigen anderen Menschen.«

Marilyn French, Mein Sommer mit George, aus dem Amerikanischen übersetzt von Elke Link, Roman, btb, 319 Seiten. Erschienen 1999.