Sprachbereinigt quarzen gehen –
Eines meiner Lieblingsthemen im Deutschunterricht der Mittelstufe ist die Vermittlung von rhetorischen Stilmitteln. Insbesondere der Euphemismus hat es uns angetan. Das ganze Schuljahr über halte ich Augen und Ohren offen, um die originellsten Beschönigungen für meine Klasse zu sammeln. Favorit war letztes Schuljahr die Bezeichnung „Biofilm“ (vulgo: Dreck) auf dem Etikett meines neuen Putzmittels.
Von der Werbeindustrie haben wir nichts anderes zu erwarten als genmanipulierte Sprachklone. Problematisch wird es allerdings, wenn die Kunst der rhetorischen Vollverschleierung auch auf normale Alltagssituationen unter Kollegen übergreift. So geschehen neulich kurz vor einer Konferenzpause, die früher als Raucherpause bezeichnet wurde. Ein Wort, das in modernen Lehrerzimmern längst nicht mehr offen ausgesprochen wird. Kollege X von der rauchenden Minderheit nahm mit einem anderen Lehrer, der in ebendieser Pause etwas mit ihm besprechen wollte, Blickkontakt auf. Als der hergestellt war, begann er mit zwei Fingern unter der Nase zu fuchteln, um die verpönte Aktivität pantomimisch zu umreißen. Dieser Code löste aber beim nichtrauchenden Kollegen nur Verwirrung aus und so musste dann eben doch das geflüsterte Wort herhalten: „Ich zieh mich dann mal zurück“. Der Kollege hatte jetzt verstanden und dachte sich: „Aha, der geht in der Pause aufs Klo.“
Weit gefehlt! Kollege X ging „die Kippe quälen“, seine „Lunge asphaltieren“ oder was man nicht alles erfindet, um das „R-Wort“ nicht mehr sagen zu müssen. „Ein Lungenbrötchen ist mir jetzt lieber,“ ließ er neulich vor Schülern verlauten, die in der Pause nach echten Brötchen anstanden. Anschließend hieß es hinter vorgehaltener Hand: „Was redet der so schwul?“ Und unweigerlich kam das Lungenbrötchen auf die Top Ten Liste der schaurigsten Euphemismen. Dann kam die Klasse richtig in Fahrt. Es wurde gegoogelt und die schönsten politisch korrekten Metaphern für „Rauchen“ und „Raucherpause“ gesucht und gefunden. „Kondensationsübung hat er auch schon mal benutzt“.
„Alter, ey, ich möcht‘ nicht wissen, was der sagt, wenn er mal Sex haben will!“
Vielleicht so etwas wie: „Was mir jetzt vorschwebt, ist eine Herz-Kreislauf Aktivität, die den Biofilm auf meinen Bronchien bekämpft, so dass ich mir das Lungenbrötchen danach ehrlich verdient habe “. Das klingt doch richtig sexy.
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