Juno ist die Frau, die als Mädchen im Krippenspiel die »schiefe Tanne« spielte. Jetzt ist sie in den Fünfzigern und kann nicht mehr schlafen. Ihr Mann Jupiter, Jupi genannt, sitzt im Rollstuhl und das Leben in der Leipziger Altbauwohnung ist nicht einfach. Kräftezehrend und eben schlaflos machend.
Mit zärtlicher Genauigkeit schildert Martina Hefter das tägliche Zusammenspiel der beiden in einem Klima gesellschaftlicher Kälte »Man muss nur kurz die Erde anheben, sagte Jupiter mal, es ist nicht so schwer.« Zu leicht darf es auf keinen Fall aussehen, sonst steht das Pflegegeld auch noch auf der Kippe. Die Mitarbeiterin des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse »lächelte auf eine Weise, an der man sah, dass sie nicht nett wirken wollte, aber unhöflich auch nicht.«
Der bisweilen lächerliche Kulturförderungsbetrieb und sogar die Verleihung eines Literaturpreises, kommen vor. Darüber könnte Hefter seit letzter Woche wahrscheinlich noch mindestens ein weiteres Kapitel schreiben.
Und dann ist da, am schillernsten, die Liebe in Zeiten von Love-Scammern. Besonders Nigerianern wie Benu. Weil „scam“ nicht weit von „Scham“ entfernt ist, schämt er sich und macht Juno zur echten online-Freundin, ohne jemals Geld zu fordern. Und irgendwann bemerkt Juni, »dass sich kleine Wahrheiten in ihre Lügen schlichen.«
Eine Beziehung, die das Besondere unserer Zeit herausarbeitet: immer Nähe zu suchen (und zu behaupten) und dabei stets Distanz zu schaffen. »Mit einem Typen lügen nach Mitternacht« kann zwar zu Missverständnissen führen, aber dann tut’s ein »Sturzbächeweinen-Emoji«.
Die Überforderung der Gesellschaft gespiegelt in einem Individuum, das ist »Hey guten Morgen, wie geht es dir?« Die tapfere Juno erkennt die Zumutungen und nimmt sie dennoch jeden Tag auf sich: »Es geht doch darum, dass ich das Sicherheitsnetz bin. Das ist nicht gerade wenig, wissen Sie«. Außerdem hat sie ja noch so viele andere Rollen.
Martina Hefter, »Hey guten Morgen, wie geht es dir?«, Roman, Klett-Cotta, 224 Seiten. Erschienen am 13.07.2024
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