Arno Geigers »Reise nach Laredo« –

Der alte König haut ab aus seinem Exil. »Mürrisch wie ein seit Jahren angebundener Bär« wartet Karl V. von Spanien unter Schmerzen, vollgepumpt mit Laudanum, auf sein Ende. Er kann sich kaum mehr selbständig bewegen. Will er ein Bad nehmen, muss er sich unter den Augen seiner Bediensteten nackt von einem lächerlichen, katapultähnlichen Hebegestell in die Wanne hieven lassen.

Es ist sein illegitimer Spross, der elfjährige Geronimo, der ihn zu einem Streich inspiriert. Im Morgengrauen verlassen die beiden das Kloster noch bevor die Mönche schlaftrunken ihre ersten Choräle anstimmen. Geronimo übernimmt das Kommando, setzt sich auf Karls Pferd und den zurückgetretenen Erlauchten kurzerhand auf das leichter zu handhabende Maultier. Auch sonst schert er sich nicht um höfische Etikette.

Genau diese Umgangsform ist es, die Karl wieder zum Leben erweckt. Ebenso wie die zwei jugendlichen Reisebegleiter, die kurz nach dem Aufbruch zu ihnen stoßen und für weitere Abenteuer und Konflikte sorgen. Aber eben auch für diejenigen Momente grundloser Lebensfreude, die Karl seit dem Tod seiner Frau Isabel nicht mehr kannte. »Also das ist es, das Leben. Das ist es, wofür man lebt«.

Die Geschichte der Reise ist erfunden. Entstanden aus der Empathie für die historische Gestalt des Habsburgers Karl V von Spanien, der sich nach seiner Abdankung 1556 ins Kloster von Yuste zurückzog und dort 1558 starb. Geiger gönnt ihm eine letzte Reise, eine Auszeit von der Gebrechlichkeit und Momente der Klarheit vor dem unmittelbar bevorstehenden Ende.

Sprachlich sind viele besonders wichtige Stellen überraschend platt formuliert: »Als Person angenommen zu werden, gemocht zu werden um seiner selbst willen – jetzt hatte er es.« Nicht gerade subtil, der Geiger-Sound, der im Walzertakt zwischen diesen lapidaren Sätzen und tiefen zitierfähigen Weisheiten pendelt, die für maximalen Effekt gerne ans Ende der Kapitel gesetzt werden. »Der letzte Pinselstrich sei immer verzichtbar«, »Fast alles Wissen, das nicht Wissen über uns selbst ist, geht am Wesentlichen vorbei.«, »Das Gras holte alle ein«. Bäm. Take that, Lesende!

Trotz der sprachlichen Überdeutlichkeit ist »Die Reise nach Laredo« eine spannende Geschichte über die Einsichten, die man buchstäblich noch auf den letzten Metern des Lebens entwickelt. So können die Sterbenden besser »vor Gott treten mit leeren Händen, mit nichts in Händen als sich selbst.«

Arno Geiger, »Die Reise nach Laredo«, Roman, Hanser, 272 Seiten. Erschienen am 19.08.24. Cover:Hanser. Ungekürztes Hörbuch gelesen von Matthias Brandt, Hörbuch Hamburg, 7 Stunden 41 Minuten. Erschienen am 19.08.24.